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Dangerhouse
Dangerhouse Records
History of Punk Vol.1 (Rockass Nr.6 / Feb. 2005)
Wer sich für die Ursprünge von amerikanischen Punkrock interessiert, wird zwangsläufig auf die ein oder andere Scheibe vom "Dangerhouse"-Label aus Los Angeles stoßen. Ebenso legendär wie umstritten, kamen in der kurzen Phase seiner Existenz Ende der Siebziger Jahre einige der wichtigsten frühen kalifornischen Punk-Releases hier raus. Die Geschichte des Labels reflektiert ziemlich gut die aufregende, hektische Frühphase der Punkbewegung mit ihrer explosiven Mischung aus Aufbruchstimmung, Improvision, Drogen, Neid, Geld, Wahnsinn und Untergang.

Anno 1977 bildete sich auch in Los Angeles eine Punkrockszene. The Damned waren als erste der frühen englischen Gruppen im Mai durch die Stadt gezogen und lokale Bands wie The Nerves und die Germs hatten ihre ersten Shows. Es gab einen Keller-Club namens the Masque, um den sich eine Szene von Punkbands bildete; das Slash-Magazin, das später auch einen Labelableger hatte, auf dem fantastische Platten wie z.B. Gun Club und the Blasters erschienen, und dessen wilderer kleiner Bruder, das Flipside-Magazine, erschienen erstmals in jenem Jahr. Eine wichtige Starthilfe war ein Label bzw. Plattenladen/Magazin namens Bomp, das schon seit den frühen Siebzigern existierte und vor allem Bands der englischen Punk-Explosion featurte. Den immer zahlreicheren Bands vor Ort musste irgendwie eine weitere Möglichkeit gegeben werden, ihren künstlerischen Output zu veröffentlichen. Also haben sich im Sommer jenen Jahres 3 Typen entschlossen ein Plattenlabel zu gründen: Pat Garrett war gerade aus Oklahoma noch LA gezogen, trommelte bei den Dils und war Sänger und Gitarrist für eine Band namens The Randoms. Er war der technische Mastermind, der auch viele der Platten aufnahm und produzierte. David Brown spielte bei den Screamers ("a bunch of homosexuals who had read too much New Musical Express") und der dritte im Bunde war Black Randy, ein inzwischen an den Folgen einer AIDS - Erkrankung verstorbener "bunter Vogel" der LA-Künstler-Szene und Polytoxicomane.

Der Name des Labels rührt von einer Geschichte, die mit 2 Brüdern, Kumpel von Dave Brown, zu tun hat, die in einem abgeschiedenen Haus in LA lebten; der eine Sixties-, der andere Fifties-Collector. Eines Tages kam der Fifties-Typ mit einer seltenen Sixties-Scheibe nach Hause und wollte sie seinem Bruder nicht überlassen. Darüber regte sich dieser so auf, dass er aus dem Haus stürmte und das Auto seines Bruders mit einem Hammer kurz und klein schlug. Für die Kinder aus de Nachbarschaft, die in der Nähe spielten, war dieses Haus nach diesem Vorfall der Inbegriff von etwas unheimlichen, das "Dangerhouse".

Der erste Release war im Dezember 1977 eine Single von den Randoms, "ABCD b/w Let´s get rid of New York", ein 4-Spur-Home-Recording Produkt der "Hausband" in 1500er Auflage mit einem 2 Akkorde-Killed by Death-Klassiker allererster Güte. Die zweite hauseigene Band war Black Randy and the Metrosquad, die kurz danach ihre 7" "Trouble at the cup b/w Sperm Bank Baby" rausbrachte. An diesem etwas nach debilen Dada-Künstler-Kram klingendem Werk waren sämtliche Label-inhaber nebst Unterstützung von X-Mitgliedern beteiligt. Noch vor Jahreswechsel erschien dann einer der absoluten Hammer-Platten, nämlich eine 3-Track EP von den Avengers (We are the one/I believe in me/Car crash). Die Kontakte zu dieser San Francisco Band kamen über live-Aktivitäten der Screamers zustande, die mal im berühmten Mabuhay Garden in SF mit den Avengers spielten. Die Single erschien in der Erstauflage in rotem Vinyl, weil im Presswerk das normale schwarze aus war! Wer diese Platte bei ebay mal unter 100$ schießt, kann sich selbst auf die Schulter klopfen. Mehr zum Thema Avengers siehe Rockass Nr. 3 und im Penelope Houston - Interview unter dem "Bands"-Button. Um Weihnachten ´77 kam dann noch ein Meilenstein des US Punkrock auf Dangerhouse raus, nämlich die "198 Seconds of the Dils"-Single. Pat Garrett war, wie schon angesprochen, eine gewisse Zeit im Line-up dieser sehr linksorientierten, politischen Band. "Class-War" und "Mr. Big" sind 2 raue Klassiker des early LA-Punk.

Das Frühjahr 1978 sah weitere absolute in Plastik geritzte Punkrock-Kracher das Licht der Welt erblicken. Zunächst erschien im März "We got the Neutron Bomb/Solitary confinement" von den Weirdos. Deren erste Single "Destroy all music", ebenfalls eine Perle des frühen US Punk, war im Jahr zuvor bei BOMP! erschienen. Allein über diese höchst wichtige Band könnte man bücherlange musikhistorische Werke verzapfen. Bei diesem Release wurden nebenbei erstmals 8- statt 4-Spuren aufgenommen. Leider traten im Rahmen der Veröffentlichung dieser Platte erstmals auch gewisse finanzielle Probleme auf, denn Geld und Kommerz verseuchten bereits die Szene. Da eine LA-Band namens The Dickies mittlerweile vom Major A&M gesignt wurde (und dafür sollen sie 100.000$ Cash bekommen haben!) und anfingen haufenweise Platten zu verkaufen, bestanden die Weirdos angeblich auf eine Auflage von 5000 für ihre Single, von der dann aber nur die Hälfte verkauft werden konnte. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass der, der die restlichen Platten noch im Keller stehen hat, so allmählich die Verluste von damals gut wettgemacht haben dürfte.

Eine Band, die später noch richtig bekannt werden sollte und mit ihren späteren Alben zumindest die Top 100 enterte, waren die schon angesprochenen X, die ihre erste Single "Adult Books/We´re desperate" im April 1978 auf Dangerhouse rausbrachten. Damals waren sie noch ein Haufen Kumpels, die man von verschiedenen Besäufnissen und Parties kannte.

Mittlerweile wurde das Thema Geld und Business immer mehr zu einem Problem. Da Punk gerade das Ding der Stunde war, fingen die Bands an, sich auch für die geschäftliche Seite einer Plattenveröffentlichung zu interessieren. Verschärft wurde die Gesamtsituation durch das Drogenproblem von Black Randy, der Anfang 1978 mit "Idi Amin" die zweite Single mit grenzdebilen Kompositionen veröffentlichte und mehr und mehr dazu neigte, seine Mit-Label-Besitzer übers Ohr zu hauen und auch mit seinen gegenüber anderen Bands nicht oft gehaltenen Versprechen zum eher mäßigen Ruf des Labels unter Musikerkollegen beitrug.

Ebenfalls im März erschien die Single "Nothing means nothing anymore b/w Give me little pain" von den Alleycats aus Lomita in South Bay L.A., die es später noch zu einer LP brachten. Vom Sound her ähnlich wie X, vielleicht ein bisschen härter.

Die weiteren Veröffentlichungen im Laufe der nächsten 12 Monate auf Dangerhouse waren:

Black Randy Idi Amin 7" (April ´78) Die Sachen vom Label-teilhaber sind, wie schon erwähnt, musikalisch gesehen leider ziemlich Ausreißer nach unten. So auch dieser Release, auf dem ziemlich drogengeschwängerte Low-Fi Cover von James Brown zu finden sind.
Howard Werth Obsolete b/w Mango Man. (Oktober 1978) Howard war ein Engländer, der in den 70ern eine Band namens Audience hatte, von der Dave Brown Fan war. Die Veröffentlichung dieser Platte kam zustande, weil Werth einen Mix von "Los Angeles" von X für den Label-Sampler "Yes LA" besorgt hatte, da die Dangerhouse-Macher selbst und die Band nicht mehr so gut miteinander klar kamen. Dafür durfte er eine eigene 7" rausbringen, die nach Frühsiebziger-"Rock" a la T. Rex klingt. Danach verschwand er wieder auf Nimmerwiedersehen.
Bags Survive b/w Babylonian Gorgon (12/´78): Vom Gesang der charismatischen Alice Bag geprägter LA-Punkrock Punkrock, durchaus ähnlich den Avengers und frühen X.
Eyes TAQN/ Topological Lies, (Feb ´79) ein popiges Punk-outfit, bei dem spätere Mitglieder von X und den Go Go´s (mit Belinda Carlisle!, die mit der Germs Bassistin Lorna zusammenwohnte) mitspielten.
Dead Beats Kill the hippies/Deadbeat/Brainless/Final Ride, (Juli 1979) jazzige Dada Punk-Combo um Gitarristen/Producer Gesa X, die A-Seite ist irgendwo auf einem Killed by death-Sampler. Die hätten 1980 gut nach Düsseldorf gepasst, finde ich. Angeblich haben die Dickies ihren Look von den Deadbeats geklaut, nachdem sie mit ihnen einen Gig im Masque spielten.
Rhino 39 Xerox/No compromise/Psoxolin Stomp Eine Kid-Punk Band aus Long Beach, die für damalige Zeiten schon ordentlich aufs Tempo drückten
V.A. Yes L.A. LP einseitig bespielte LP mit Nummern von X, den Germs, Eyes, Black Randy und den Alley Cats
Black Randy I slept in an arcade 7" (7/´79)
Black Randy Pass the Dust, I think I´m Bowie, LP. (1/´80) Die letzten Veröffentlichungen waren wieder der Hausband gewidmet. Diese Aufnahmen haben eher weniger mit Punkrock zu tun, eher eine low-fi Soul-Künstler-Kacke Verirrung auf diesem Label.
Anfang 1980 war dann die Situation nicht mehr haltbar. Randy´s Alk- und Drogenkonsum war out of control, Pat wollte sich auf seinen normalen Job als Ingenieur und sein Familienleben konzentrieren und Brown war auch tief frustriert, dass die "Szene" ihn und die anderen trotz der Investitionen von Tausenden von Dollar für Arschlöcher hielten. Auch konnte die Jungs mit dem neuen Orange County Thrash Sound a la Circle Jerks, Black Flag usw., der in der Punkszene überhand nahm, nicht viel anfangen. Das Label war tot. Teilweise gibt es Bootlegs, aber auch reguläre Wiederveröffentlichungen als Sampler, z.B. auf Frontier (die vor 2 Jahren als LP und CD wiederveröffentlicht wurde), die die gut 3 Jahre aufregende Musikgeschichte wiedergeben. Checkt auch "Hardcore California", ein schön aufgemachter Bildband, der trotz des Titels eher die prä-HC Szene beleuchtet.
Eine weitere Quelle für den early Punkrock-Killed by Death Fan dürfte sein: www.breakmyface.com.
Pete Rockass
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